Frage: Ich besitze eine Doppelhaushälfte, welche direkt auf die Baulinie gebaut wurde. Nun möchte ich einen Balkon im Obergeschoss anbauen, der gleichzeitig eine Überdachung der Holzterrasse im Erdgeschoss sein soll. Nach Aussage des Bauamtes darf ich den Balkon max. 1,50m auskragend ausführen. Ich wollte jedoch eine Mindesttiefe von 1,80-2,00m, um eine größere Fläche der Terrasse zu überdachen. Eine Befreiung wird laut Bauamt abgewiesen. Wie groß darf man eine Terrassenüberdachung unabhängig von einem Balkon ausführen. Ich wohne in BaWü.
Antwort: Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) besagt in
§ 23 Überbaubare Grundstücksfläche
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
Dies betrifft z.B. Balkone. Was ein „geringfügiges Ausmaß“ ist, wird jedoch nicht definiert.
Gleichzeitig steht zum Maß der baulichen Nutzung in der BauNVO:
§ 20 Vollgeschosse, Geschossflächenzahl, Geschossfläche
(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.
Ihren geplanten Balkonanbau müssen Sie also nicht in die zulässige Geschossfläche mit einrechnen, Sie müssen aber auch mit dem Balkon die vorgeschriebenen Abstandsflächen einhalten.
Die Landesbauordnung (LBO) Baden-Württemberg wiederum besagt in
§ 50 Verfahrensfreie Vorhaben
(1) Die Errichtung der Anlagen und Einrichtungen, die im Anhang aufgeführt sind, ist verfahrensfrei.
(2) Die Nutzungsänderung ist verfahrensfrei, wenn
1. für die neue Nutzung keine anderen oder weitergehenden Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung oder
2. durch die neue Nutzung zusätzlicher Wohnraum in Wohngebäuden geringer Höhe im Innenbereich geschaffen wird.
(3) Der Abbruch ist verfahrensfrei bei
1. land- oder forstwirtschaftlichen Schuppen bis 5 m Höhe,
2. Gebäuden bis 300 m³ umbauten Raumes, ausgenommen notwendige Garagen,
3. baulichen Anlagen, die keine Gebäude sind, ausgenommen notwendige Stellplätze,
4. Anlagen und Einrichtungen, die nach Absatz 1 verfahrensfrei sind.
(4) Instandhaltungsarbeiten sind verfahrensfrei.
(5) Verfahrensfreie Vorhaben müssen ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.
Was verfahrensfreie Vorhaben sind, steht im
Anhang (zu § 50 Abs. 1)
Verfahrensfreie Vorhaben
Gebäude, Gebäudeteile
11. Terrassenüberdachungen im Innenbereich bis 30 m² Grundfläche,
12. Balkonverglasungen sowie Balkonüberdachungen bis 30 m² Grundfläche
Sie sehen hier, dass eine Terrassen- oder Balkonüberdachung bis 30m² Grundfläche im Innenbereich verfahrensfrei sind. Das heißt, Sie benötigen dafür keine Genehmigung. Allerdings gilt auch für verfahrensfreie Vorhaben, dass diese den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, also z.B. Abstandsflächen oder anderen Vorgaben des Bebauungsplans, entsprechen müssen, wie Sie in §50 (5) lesen können.
Ich denke, dass in Ihrem Fall Ihr Baurechtsamt entweder die Überschreitung der Baulinie durch Ihren geplanten Balkon als über dem „geringfügigen Ausmaß“ liegend ansieht, oder aber die Abstandsflächen nicht eingehalten werden. Wenn sich Ihr Baurechtsamt nicht auf eine Befreiung einlassen will, haben Sie wohl keine andere Möglichkeit, als dies zu akzeptieren und die Maßnahme nach den Vorgaben des Baurechtsamts durchzuführen.
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