Frage: Wir planen ein Gartenhaus zu kaufen, in dem wir wohnen wollen. Dieses Gartenhaus hat im Moment nicht ausreichend Platz, so dass wir an- und umbauen müssten. Die Eigentümer haben das Gartenhaus auf den alten Grundmauern erneuert. Es würde uns vorerst platzmäßig ausreichen, die vorhandene Terrasse zu verglasen. Später vielleicht auch, das Obergeschoss zu integrieren. Wir wohnen im Bundesland Thüringen. Wichtig zu erwähnen ist noch, dass dieses Gartenhaus in einer Mischsiedlung ist, d.h. es gibt direkte Nachbarn, die in Ihrem Haus ganzjährig wohnen und auch Gartennachbarn. Anschlüsse bezüglich Elektrik, Wasser, Abwasser sind vorhanden.
Die Entscheidung, dieses Gartenhaus (derzeitige "Wohnfläche" 80qm) zu kaufen, hängt davon ab, ob wir "Umbauten" vornehmen können. Was darf man an einen Gartenhaus umbauen bzw. vergrößern? Gibt es eine Möglichkeit, das Gartenhaus zu einem Wohnhaus rechtlich umzumünzen? Was hat das für Vor- und Nachteile?
Vielen Dank schon mal im Voraus für die Bearbeitung!
Liebe Grüße aus den winterlichen Thüringen
Antwort: Ich habe mich soeben durch die Thüringische Bauordnung (ThürBO) gewühlt, die Sie sich unter Downloads herunterladen können. Dabei habe ich mit Erstaunen und Entsetzen feststellen müssen, dass diese doch sehr von unserer Bauordnung in Baden-Württemberg abweicht, vor allem dadurch, dass das Beamtendeutsch bei Euch noch weitaus unverständlicher und verschachtelter ist als bei uns.
In Thüringen werden die Gebäude in Gebäudeklasen unterteilt. Ihr Gartenhaus gehört mit Sicherheit zur Gebäudeklasse 1, da der Fußboden des OGs wohl kaum mehr als 7m über der Geländeoberfläche liegt. Die Gebäudeklassen werden definiert in
§ 2 Begriffe
(3) Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:
1. Gebäudeklasse 1:
a) freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und
b) freistehende Gebäude, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Baugesetzbuchs (BauGB) in der Fassung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141, 1998 I S.137) in der jeweils geltenden Fassung in Verbindung mit § 201 BauGB dienen,
2. Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²,
3. Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,
4. Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²,
5. Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude.
Höhe im Sinne des Satzes 1 ist das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, an den zum Anleitern bestimmten Stellen über der Geländeoberfläche. Die Grundflächen der Nutzungseinheiten im Sinne dieses Gesetzes sind die Brutto-Grundflächen; bei der Berechnung der Brutto-Grundflächen nach Satz 1 bleiben Flächen in Kellergeschossen außer Betracht.
Des Weiteren steht unter
§ 63 a Genehmigungsfreistellung
(1) Keiner Genehmigung bedarf unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von
1. Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3,
2. sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2,
3. sonstigen baulichen Anlagen, die keine Gebäude sind,
4. Nebengebäuden und Nebenanlagen zu Vorhaben nach den Nummern 1 bis 3,24 ausgenommen Sonderbauten und Parkplätze mit einer Größe von mehr als 0,5 ha.
(2) Nach Absatz 1 ist ein Bauvorhaben genehmigungsfrei
gestellt, wenn
1. es im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 oder der §§ 12, 30 Abs. 2 BauGB liegt,
2. es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht,
3. die Erschließung im Sinne des Baugesetzbuchs gesichert ist und
4. die Gemeinde nicht innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 2 erklärt, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, oder eine vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB
beantragt.
(3) Der Bauherr hat die erforderlichen Unterlagen bei der Gemeinde einzureichen; die Gemeinde legt, soweit sie nicht selbst Bauaufsichtsbehörde ist, eine Fertigung der Unterlagen unverzüglich der unteren Bauaufsichtsbehörde vor. Mit dem Vorhaben darf einen Monat nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei der Gemeinde begonnen
werden. Teilt die Gemeinde dem Bauherrn vor Ablauf der Frist schriftlich mit, dass kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll und sie eine Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht beantragen wird, darf der Bauherr mit der Ausführung des Vorhabens beginnen. Von der Mitteilung nach Satz 3 hat die Gemeinde die Bauaufsichtsbehörde zu unterrichten. Will der Bauherr mit der Ausführung des Bauvorhabens mehr als drei Jahre, nachdem die Bauausführung nach Sätzen 2 und 3 zulässig geworden ist, beginnen, gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend.
(4) Die Erklärung der Gemeinde nach Absatz 2 Nr. 4, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, kann insbesondere deshalb erfolgen, weil sie eine Überprüfung der sonstigen Voraussetzungen des Absatzes 2 oder des Bauvorhabens aus anderen
Gründen für erforderlich hält. Darauf, dass die Gemeinde von ihrer Erklärungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht, besteht kein Rechtsanspruch. Erklärt die Gemeinde, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, hat sie dem Bauherrn die vorgelegten Unterlagen zurückzureichen. Hat der Bauherr
bei der Vorlage der Unterlagen bestimmt, dass seine Vorlage im Fall der Erklärung nach Absatz 2 Nr. 4 als Bauantrag zu behandeln ist, leitet sie die Unterlagen gleichzeitig mit der Erklärung an die Bauaufsichtsbehörde
weiter.
(5) § 64 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie die §§ 68 und 70 Abs. 6 bis 8 sind entsprechend anzuwenden. § 63 d bleibt unberührt.
Sie können hier sehen, dass Änderungen und Nutzungsänderungen an „sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2“, zu denen Ihr Gartenhaus wohl gehört, genehmigungsfrei gestellt werden können, soweit das Gebäude im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und die von Ihnen geplante Änderung diesem nicht widerspricht. Da Ihr Haus in einem Mischgebiet liegt, für Sie kein Problem.
Ihr Vorhaben könnte somit genehmigungsfrei gestellt werden. Dies ist jedoch nicht das Gleiche wie verfahrensfrei.
Das heißt, dass Sie nicht einfach drauflos bauen können. Sie müssen die erforderlichen Unterlagen bei Ihrer Gemeinde bzw. Bauaufsichtsbehörde einreichen, warten was passiert, und können erst nach einer Frist von einem Monat ohne Reaktion loslegen.
Nichtsdestotrotz sind §64 Abs.2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie die §§ 68 und 70 Abs. 6 bis 8 entsprechend anzuwenden. §63d bleibt unberührt.
Diese behandeln Fragen der Form des Bauantrags bzw. der Bauvorlagen, der Beteiligung der Nachbarn und des Baubeginns.
Ich erspare es Ihnen und mir, diese auch noch detailliert zu behandeln.
Sie müssen ohnehin die Unterlagen einreichen. Falls Ihr Vorhaben freigestellt wird sparen Sie Gebühren und Zeit.
Dieses Verfahren gibt es in Baden-Württemberg nicht. Ich habe daher auch keinerlei Erfahrung damit. Also würde ich Ihnen raten, sich mit Ihrem Anliegen direkt an das zuständige Baurechtsamt zu wenden. Dort arbeiten meiner Erfahrung nach meistens Menschen, die ihre Aufgabe nicht primär darin sehen, den Bürger zu gängeln, sondern ihm weiterzuhelfen. Ich hoffe, dies ist bei Ihnen genauso.
Falls Sie nicht weiterkommen, wenden Sie sich an einen Architekten in Ihrer Region. Den werden Sie zum Einreichen der nötigen Unterlagen ohnehin brauchen.